Infos über Dysphagie

Was ist eine Dysphagie?

Unter Dysphagie versteht man eine Störung der Nahrungsaufnahme / Schluckstörung, die sich auf den gesamten Prozess der Nahrungsaufnahme auswirken kann – vom Kauen bis hin zum eigentlichen Schlucken. Die Probleme können sowohl beim Essen und Trinken als auch beim Schlucken des eigenen Speichels auftreten.  Eine Dysphagie kann in jedem Lebensalter auftreten, jedoch sind ältere und alte Menschen häufiger betroffen. Es gibt eine Vielzahl an Grunderkrankungen, die eine Dysphagie auslösen können. Auch die Erscheinungsformen sind vielfältig.

.

Ursachen:

  • Schlaganfälle / Hirnblutungen
  • Schädel-Hirn-Traumata nach Unfällen
  • Neurologische Erkrankungen wie M. Parkinson, Multiple Sklerose, Demenz, Amyotrophe Lateralsklerose, Myastenia Gravis
  • Hirnhautentzündungen (Meningitis, Encephalitis)
  • Hirntumore
  • Muskuläre Erkrankungen (Polymyositis, Myopathien, Muskeldystophien, Myotonien, Dermatomyositis)
  • Tumore im Mund-, Hals-, Kopfbereich und deren Behandlungsfolgen
  • Erkrankungen der Halswirbelsäule
  • Erkrankung der Speiseröhre
  • Psychische Ursachen (Verhaltensstörung, Essstörungen, Phagophobie)
  • Altersbedingte Veränderungen
  • nach Langzeitbeatmung

.

Der normale Schluckakt

Im Wachzustand schluckt ein gesunder Mensch zwischen den Mahlzeiten bis zu 2000 Mal. Das Schlucken dient dazu, Speichel und Nahrung aus der Mundhöhle in den Magen zu transportieren. Bei den meisten Menschen läuft das Schlucken ganz automatisch ab – ohne dass man darüber nachdenken würde. Das Schlucken ist jedoch ein hochkomplexer, zeitlich genau abgestimmter Prozess, an dem eine Vielzahl von Strukturen, u.a. 50 Muskelpaare und 5 Hirnnerven beteiligt sind. Die zentrale Steuerung erfolgt in unserem Gehirn (Hirnrinde, Mittelhirn, Hirnstamm). Man unterteilt den Schlucktakt in verschiedene Phasen.

.

Die Phasen des Schluckaktes

Die präorale Phase

In dieser ersten Phase bereitet man sich auf die Nahrungsaufnahme vor.  Hierzu gehört die Entwicklung eines Hunger- und Durstgefühls. Man sieht und riecht die Speisen –  dadurch wird bereits die Speichelproduktion angeregt. Schließlich benötigt man eine intakte Hand-Mund-Koordination, um die Speisen zum Mund zu führen.

Die orale Vorbereitungsphase und orale Phase

Die Nahrung wird  zunächst  im Mund durch Kauen und Vermischung mit Speichel  für den Weitertransport vorbereitet. Wichtig sind dabei ein intakter Zahnstatus, eine ungestörte Beweglichkeit der Zunge und des Kiefers sowie eine gute Sensibilität im Mundraum. Der Speisebrei (Bolus) wird anschließend auf der Zunge gesammelt und dann mit einer kräftigen Rückwärtsbewegung der Zunge in den Rachen weitertransportiert.

Die pharyngeale Phase

Die Nahrung wird durch den kräftigen Zungenschub, wellenartige Kontraktionen der Rachenmuskulatur und den Einfluss der Schwerkraft durch den Rachen transportiert.  Um ein Eintreten des Speisebreis in den Nasenraum zu verhindern, hebt das Gaumensegel und schließt die Atemwege nach oben hin ab. Die unteren Luftwege werden durch einen dreifachen Verschluss des Kehlkopfes geschützt (Verschluss der Stimmbänder und Taschenfalten, Absenken des Kehldeckels), um zu verhindern, dass der Speisebrei in die Lunge gelangt. Dabei kommt es zu einem kurzen Stopp der Atmung. In dem Moment, in dem sich der Kehlkopf schließt und hebt, wird gleichzeitig der obere Speiseröhrenmuskel aufgedehnt und der Bolus tritt in die Speiseröhre ein.

Die ösophageale Phase

Dei Nahrung wird durch wellenartige Bewegungen durch die Speiseröhre transportiert und gelangt schließlich in den Magen.

.

Der gestörte Schluckakt

Bei einem hochkomplexen Prozess wie dem Schluckakt genügt oft eine kleine Schädigung, um den gesamten Vorgang erheblich zu stören. Eine solche Störung führt nicht nur zu einer hohen psychischen Belastung für den Betroffenen, sondern kann in manchen Fällen lebensbedrohlich werden. Man denke dabei nur an die Probleme, die schon ein gesunder Mensch hat, wenn er sich heftig verschluckt.

Aspiration

Das gefährlichste an einer Schluckstörung ist die sogenannte Aspiration.  Dabei gelangen Nahrung, Flüssigkeiten oder Speichel in die unteren Luftwege. Die Folgen: Fieber, Verschleimung, Bronchitis, wiederkehrende Lungenentzündungen. Wird die Schluckstörung nicht als Ursache erkannt und entsprechende Maßnahmen ergriffen, kann dies sogar zum Tod des Betroffenen führen. Dass sich etwas in „die falsche Röhre“ verirrt hat, bemerkt man häufig daran, dass der Betroffene beginnt zu husten. Ist die Sensibilität im Rachen und Kehlkopfbereich jedoch herabgesetzt, verläuft eine Aspiration unbemerkt („stille Aspiration“).

Darüber hinaus kann es zu Problemen in jeder Phase des Schluckaktes kommen, zB.:

  • Ausbleiben eines Hunger- oder Durstgefühls,
  • verminderte Speichelproduktion (z.B. als Folge von Medikamentennebenwirkungen),
  • unzureichende Mundöffnung, so dass beispielsweise das Abbeißen nicht möglich ist,
  • fehlender Mundschluss, so dass Speichel, Nahrung und Flüssigkeiten wieder aus dem Mund herauslaufen,
  • eingeschränkte Beweglichkeit von Kiefer, Lippen, Zunge, so dass die Nahrung nicht ausreichend zerkleinert und im Mund nach hinten transportiert werden kann,
  • eingeschränkte Hebung der Gaumensegels, so dass Nahrung und Flüssigkeiten aus der Nase austreten,
  • fehlende Auslösung der Schluckreflexes, so dass der Bolus in den ungeschützten Kehlkopf fällt,
  • verzögerter oder unvollständiger Kehlkopfverschluss mit der Gefahr einer Aspiration,
  • Schwäche der Rachenmuskulatur, so dass Speisereste im Rachen verbleiben,
  • eingeschränkte Kehlkopfhebung und -kippung, so dass die Speiseröhre nur unvollständig geöffnet wird,
  • Transportstörungen in der Speiseröhre, zB. Reflux.

.

Hinweise auf eine Dysphagie

Spezifische Hinweise:

  • Häufiges Husten und/oder Räuspern vor, während oder nach dem Schlucken
  • feuchter, gurgelnder Stimmklang während oder nach der Nahrungsaufnahme
  • Herausfließen von Speichel, Nahrung oder Flüssigkeiten aus dem  Mund
  • Austritt von Nahrung oder Flüssigkeiten aus der  Nase
  • unzureichende Nahrungszerkleinerung
  • Verbleibende Speisereste im Mundraum
  • verzögerte Auslösung / Ausbleiben des Schluckreflexes
  • Steckenbleiben von Nahrung im Hals
  • Hochwürgen von Nahrung
  • gestörte Sensibiliät in Gesicht oder Mund / „Taubheitsgefühl“

Unspezifische Hinweise:

  • starke Verschleimung, brodelndes Atemgeräusch
  • Bronchits
  • Fieber unklarer Ursache
  • (wiederkehrende) Lungenentzündungen
  • schwer verständliche, verwaschene Artikulation
  • Stimmlosigkeit (Flüstern)
  • Nahrungsverweigerung
  • Stetige Gewichtabnahme
  • Austrocknung

.

Diagnostik von Schluckstörungen

Liegt der Verdacht auf eine Schluckstörung vor, wird der Betroffene zunächst von einem Schlucktherapeuten (Logopäde, klinischer Linguist, Sprachheilpädagoge) klinisch untersucht. Diese Untersuchung beinhaltet zunächst ein ausführliches Anamnesegespräch, in dem der Betroffene gezielt nach Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme befragt wird. Dann erfolgt eine Beurteilung der am Schluckvorgang beteiligten Organe. Hierzu gehört die Beurteilung der Reflexe, der Beweglichkeit und Sensibilität im Gesichts- und Mundbereich sowie die Beurteilung von Atmung, Stimme und Artikulation. Anschließend werden Schluckversuche mit verschiedenen Nahrungskonsistenzen durchgeführt. Auf diese Weise können erste Aussagen über die Art und Schwere der Störung, das Ausmaß der Aspirationsgefahr und möglicherweise erforderliche Modifikationen bzgl. der Kost getroffen werden.

Sollte die klinische Schluckdiagnostik nicht ausreichen, gibt es die Möglichkeit ergänzend bildgebende Verfahren einzusetzen. In Deutschland sind die Videoendoskopie und die  Videofluoroskopie die am häufigsten verwendeten Methoden.

Videoendoskopie

Bei der Videoendoskopie wird ein dünner Schlauch (Endoskop, an dessen Ende sich eine Kamera befindet) durch die Nase in den Rachen geführt. So erhält man eine Aufsicht auf den Kehlkopf (s.o.). Nun bekommt der Patient etwas zu essen und zu trinken. Mit der Kamera werden die Abläufe auf einem Monitor sichtbar gemacht. Der Untersucher kann beoachten, was vor und nach dem Schlucken passiert. Rutscht der Speisebrei schon vor Auslösung des Schluckreflexes in den Rachen? Verbleiben Speisereste im Rachenraum? Tritt Speichel oder Nahrung in den Kehlkopfeingang und wird aspiriert? Nur in dem Moment des Schluckens selbst kann der Kehlkopf nicht eingesehen werden, da der Kehldeckel die Sicht verlegt.

Videofluoroskopie

Bei der Videofluoroskopie wird ein Röntgenfilm des Schluckens erstellt. Der Patient wird bei der Untersuchung durchleuchtet und die Passage des radioaktiv eingefärbten Bolus kann während des gesamten Schluckaktes verfolgt werden. Eine Aufsicht auf die Gewebestrukturen und Schleimhäute ist jedoch nicht möglich. Die Strahlenbelastung für den Patienten ist gering.

.

Therapie

Nach abgeschlossener Diagnostik wird für jeden Patienten ein individueller Behandlungsplan erstellt. Vorrangiges Ziel ist es zunächst, eine ausreichende Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr sicher zu stellen. Da kann – zumindest vorübergehend – die Versorgung mit einer Ernährungssonde notwendig sein. In Laufe der Schlucktherapie wird dann eine vollständige und zumindest teilweise orale Ernährung ohne Aspirationen angestrebt. Es gibt eine Vielzahl wirksamer Übungen und Maßnahmen für die verschiedenen Funktionsstörungen. Der Erfolg der Therapie ist jedoch abhängig  von der Art und Schwere der Schluckstörung, dem Allgemeinzustand des Betroffenen, seiner Motivation sowie  seiner kognitven und psychischen Verfassung.

Ein wichtiger Baustein in der Therapie ist die Anpassung der Kost an das Schluckvermögen des Patienten. Der gesamte Speiseplan muss auf die individuelle Schluckstörung  abgestimmt sein.

.

Was kann eine schlucktherapeutische Behandlung leisten ? – Patientenbeispiele

Beispiel 1: Die Dysphagie als psycho-soziale Störung

Der Schlaganfall traf Frau Höppner (Name geändert) völlig unerwartet. Sie ist eine alleinstehende 80-jährige Dame, die großen Wert auf ihr Äußeres legt. Bisher lebte sie völlig selbständig, unternahm gerne Reisen und traf sich regelmäßig mit Freunden und Bekannten zum Kaffee trinken, Karten spielen u.v.m. Nun ist ihre rechte Körperseite gelähmt und von der Lähmung sind auch Gesicht und Mund betroffen Das Gesicht ist schief, der rechte Mundwinkel hängt herab. Beim Trinken fließen immer einige Tropfen aus dem Mund. Die Zerkleinerung der Speisen ist mühsam; meist bleiben Speisereste im Mund zurück, besonders in der rechten Wangentasche. Gelegentlich verschluckt sich Frau Höppner. Dann muss sie kräftig husten. Ihr selbst ist dies alles ausgesprochen peinlich. Sie ist verzweifelt – denn so wagt sie sich nicht mehr in die Öffentlichkeit.

Durch Übungen für die Gesichts- und Mundmuskulatur bildet sich die Gesichtslähmung recht gut zurück – aber nicht vollständig. Frau Höppner muss lernen, die verbliebenen Einschränkungen zu akzeptieren. Die schlucktherapeutische Behandlung umfasst – neben den funktionellen Übungen – auch Gespräche, die Frau H. bei ihrer Krankheitsverarbeitung unterstützen.

.

Beispiel 2: Aufbau der oralen Nahrungsaufnahme

Bei Frau Stork (Name geändert)ist nach einem Schlaganfall die Schluckstörung so ausgeprägt, dass eine orale Nahrungsaufnahme nicht mehr möglich ist. Deshalb wird Frau Stork über eine PEG (Perkutane Endoskopische Gastrotomie) ernährt. Dies ist eine Sonde, die durch die Bauchdecke direkt in den Magen führt und die Patientin mit Flüssigkeiten und Sondenkost versorgt. Frau Stork hat immer gerne gekocht, liebt gutes Essen – dass sie jetzt nicht mehr essen kann, deprimiert sie sehr. Doch die Zunge ist stark gelähmt, die Sensibilität im Mund herabgesetzt. Deshalb fällt es Frau Stork sehr schwer, selbst breiförmige Speisen im Mund zu spüren und zu bewegen. Es dauert sehr lange, bis sie überhaupt schluckt. Wenn es dann gelingt, fängt sie fast jedes Mal sofort an zu husten: ein Teil der Speise gerät in „die falsche Röhre“ und verirrt sich im Kehlkopf, der normalerweise die Aufgabe hat, die unteren Luftwege vor Aspirationen zu schützen.

Eine intensive Schlucktherapie kann auch bei solch schweren Schluckstörungen recht gute Erfolge aufweisen. Durch verschiedene Techniken wird die Muskulatur auf der betroffenen Seite bei Frau Stork stimuliert. „Normale“ Bewegungen, z.B. der Lippen, der Zunge werden gebahnt und durch mundmotorische Übungen trainiert. Das Schlucken wird geübt – zunächst nur das Schlucken des eigenen Speichels. Später mit kleinen Mengen breiförmiger Speisen wie Obst- und Gemüsepüree. Nach einigen Wochen ist Frau Stork soweit, dass sie zu jeder Mahlzeit eine kleine Portion breiförmiger Kost essen kann.

Im Laufe der Behandlung  schafft es Frau Stork, sich wieder ausreichend oral zu ernähren. Das Trinken  bleibt aber weiterhin ein Problem. Die gelähmte Zunge kann die schnell fließenden Flüssigkeiten nicht kontrollieren, so dass sich Frau Stork beim Trinken immer wieder verschluckt. Dennoch muss sie nicht vollständig auf das Trinken verzichten. Für schluckgestörte Menschen gibt es spezielle Andickmittel  (in Apotheken erhältlich), die in kalte oder warme Flüssigkeiten eingerührt werden können. Nach wenigen Minuten ist die gewünschte Kosistenz erreicht, die von leicht nektarartig bis dickflüssig, wie Honig reichen kann. Frau Stork lernt im Laufe der Therapie, auch honigartige Konsistenzen zu schlucken – jedoch wird sie wahrscheinlich dauerhaft auf die zusätzliche Gabe von Flüssigkeiten über die PEG angewiesen sein. Obwohl das Essen und Trinken weiterhin mit Mühen und viel Konzentration verbunden ist, ist Frau Stork glücklich: denn sie hat viel wiedergewonnen: den Genuss am Essen, gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie – und damit ein Stück Lebensqualität.

.

Beispiel 3: Schlucktherapie bei fortschreitenden Erkrankungen

Eine Schluckstörung  tritt nicht immer plötzlich auf, wie nach einem Schlaganfall oder einem Unfall mit Schädelhirntrauma. Bei fortschreitenden Erkrankungen, wie beispielsweise der Parkinson´schen Erkrankung, ALS oder einer Demenz entwickelt sich die Schluckstörung schleichend. Hier ist es nicht mehr das Ziel, verloren gegangene Funktinen wiederherzustellen, sondern durch Übung noch erhaltene Funktionen zu trainieren. Manchmal können aber auch nur noch kompensatorische Maßnahmen zum Einsatz kommen. Und da genügt dann manchmal eine kurze schlucktherapeutische Intervention – wie bei Frau Feldmann (Name geändert). Bei der 72-jährigen ist seit ungefähr seit zwei Jahren ein Abbau der kognitiven Fähgikeiten zu bemerken. Sie ist vergesslicher geworden und findet sich in unbekannten Umgebungen nicht mehr so gut zurecht. Auch das Sprechen und das Schluckvermögen haben sich in dieser Zeit fortwährend verschlechtert. Schuld daran ist der Abbau von Nervenzellen und -verbindungen, die für die zentrale Steuerung des Schluckaktes zuständig sind. Frau Feldmann bereitet es große Schwierigkeiten, sehr feste oder faserige Speisen zu zerkleinern. Wenig homogene Speisen, wie beispielsweise Reis, die sich im Mund nicht zu einem gut gleitfähigen Speiseklumpen formen lassen, bleiben im Rachen stecken und verursachen einen heftigen Hustenreiz. Getränke können nur mit großer Konzentration in kleinen Schlucken getrunken werden.

Wie bei jeder Schluckstörung auch, ist der erste – und in diesem Fall der einzige – Schritt die Anpassung der Nahrungkonsistenz an das Schluckvermögen. Der gesamte Speiseplan muss auf die individuelle Schluckstörung abgestimmt sein. Bei Frau Feldmann findet im Anschluss an eine ausführliche Anamnese und Befunderhebung ein Gespräch mit ihr und ihrem Ehemann statt. Darin werden die Eheleute über die Schluckstörung aufgeklärt und beraten, welche Speisen Frau Feldmann leicht und sicher schlucken kann, und welche sie lieber meiden sollte.

.

Beispiel 4: Einüben von Schlucktechniken.

Herr Claus (Name geändert) ist ein 91-jähriger, drahtiger alter Herr, der sich einer Operation unterziehen musste: ein Unterschenkel wurde ihm amputiert. Auf der Intensivstation wurde er künstlich beatmet, dadurch wurde die Funktion des Kehlkopfes beeinträchtigt. Der Kehlkopfverschluss beim Schlucken erfolgt nur noch verzögert. Nun hat Herr Claus erhebliche Probleme beim Schlucken von Flüssigkeiten: er verschluckt sich bei jedem Schluck. Das ständige Husten ist Kräfte zehrend. Herr Claus ist sehr verschleimt, seine Stimme klingt lelise und gurgelnd: ein Hinweis, dass sich Reste von Flüssigkeiten noch im Bereich der Stimmlippen befinden. Eine Lungenentzündung wurde bereits antibiotisch behandelt.

Durch eine Anpassung der Nahrungskonsistenz – das Andicken der Getränke – kann das Verschlucken fast vollständig vermieden werden. Gleichzeitig wird mit Herr Claus eine bestimmte Schlucktechnik eingeübt, um den Kehlkopfverschluss bewusst herbeizuführen und für einige Sekunden aufrecht zu erhalten.: er lernt,  vor dem  Schlucken bewusst die Luft anzuhalten und nach dem Schlucken kräftig auszuatmen. Schon nach einigen Therapien beherrscht Herr Claus die Schlucktechnik recht gut. Im weiteren Verlauf gelingt es ihm, auf diese Weise auch Flüssigkeiten in natürlicher Konsistenz sicher zu schlucken.

.

Tipps für die orale Nahrungsaufnahme

Im Einzelfall gibt es bestimmte Verhaltensmaßnahmen für die Nahrungsaufnahme, die, je nach Art und Schwere der Schluckstörung, individuell sehr unterschiedlich sein können. Grundsätzlich gibt es aber einige Regeln, die für die meisten Betroffenen gelten:

  • Aufrechte Sitzhaltung. Oberkörper und Kopf eher leicht nach vorne geneigt. Nie im Liegen essen und trinken
  • Keine ablenkenden Reize: Fernseher/Radio aus. Keine Unterhaltungen, bes. wenn der Mund noch voll ist.
  • Essen sehen und riechen lassen, appetitlich anrichten
  • nur ausgetestete Konsistenzen
  • immer nur kleine Bissen / Schlucke
  • gründlich kauen
  • langsam essen und erst schlucken, bevor ein neuer Bissen eingenommen wird
  • Schlucken mit geschlossenem Mund
  • Evtl. nachschlucken
  • Mundpflege nach jedem Essen
  • nach dem Essen nicht sofort wieder hinlegen, noch ca. 20 Minuten aufrecht sitzen bleiben.